Förderverein Historische Westsächsische Eisenbahnen e.V.
Die Geschichte der Eisenbahnlinie Chemnitz - Aue - Adorf

Die Eröffnung der Strecke Chemnitz - Aue - Adorf fällt in eine Zeit, in der in Sachsen eine ganze Anzahl von Eisenbahnlinien gebaut wurden, die in ihrem Charakter als eine Mischform aus Hauptbahn und Nebeneisenbahn bezeichnet werden müssen. Als im Jahre 1875 die Chemnitz-Aue-Adorfer Eisenbahn in Betrieb ging, gab es den Status der Neben- bzw. Sekundärbahn noch nicht. Die ausgesprochenen Hauptstrecken Sachsens waren zu diesem Zeitpunkt schon in Betrieb. Der Bau der Bahnen mit rein lokaler Bedeutung begann jedoch erst in kommenden Jahrzehnten. Mitte der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts eröffnete man viele Strecken, die in ihrer Bedeutung im Mittelfeld einzuordnen sind. Das Beförderungsaufkommen war auf solchen Linien einerseits durch lokale Verkehrsbedürfnisse geprägt, andererseits gab es auf den Strecken auch überregionale Verkehre.
 
Sie stellen ihrer Bedeutung nach eine Mischform aus Haupt- und Nebenbahn dar, obwohl es bahnamtlich eine solche Betriebsform natürlich nicht gibt. Auf Grund der 1875 noch nicht existenten gesetzlichen Regelung über Sekundäreisenbahnen waren diese Strecken damals vollwertige (Haupt)bahnen, wie beispielsweise auch die Muldentalbahn und die Elstertalbahn. Nach Gründung der Deutschen Reichsbahn wurden die Strecken zumeist früher oder später in Nebenbahnen umgewandelt. Foto: Löffler, Sammlung A. Meinel
 
Auch die Strecke Chemnitz - Aue - Adorf ist in diese Kategorie einzuordnen. Ihre Entstehungsgeschichte ist genau genommen zweigeteilt. Die Ortschaften des Muldentals oberhalb von Aue verlangten Anfang der 1860er Jahre einen Bahnanschluss, um für die aufstrebende Wirtschaft dieser Gegend bessere Transportmöglichkeiten zu schaffen. Diesem Bedürfnis sollte durch den Bau einer Eisenbahn von Aue über Tannenbergsthal (damals Jägersgrün) nach Falkenstein entsprochen werden. Auch die Städte und Gemeinden des Zwönitztals zwischen Chemnitz und Aue strebten eine Eisenbahnverbindung an, jedoch gab es hier anfangs zuhöchst unterschiedliche Projekte in Bezug auf mögliche Streckenführungen. Die Zwönitztalbahn und die obere Muldentalbahn waren zu Beginn zwei eigenständige Eisenbahnprojekte. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts wurden beide Projekte zusammengeführt. Zeitgleich wurde entschieden, die Strecke nicht in Falkenstein, sondern in Adorf an die Vogtländische Staatseisenbahn anzubinden; hierdurch wurde in erster Linie der Gegend zwischen Falkenstein und Adorf gedient. 1868 fiel der Beschluss, die Bahn nicht durch den Staat bauen zu lassen, sondern hierfür eine Aktiengesellschaft zu gründen. Die Beschaffung des notwendigen Kapitals war aber ein langwieriger Prozess, was zu erheblichen Verzögerungen führte. 1872 begann der Bau des Abschnittes Aue - Tannenbergsthal deshalb nun doch als Staatsbahn.
 
Am 2. Juli des selben Jahres gelang schließlich noch die Gründung der Chemnitz-Aue-Adorfer Eisenbahn-Gesellschaft (CAAE), deren Ziel der Bau und Betrieb der Eisenbahnstrecke Chemnitz - Aue - Adorf mit den Zweigbahnen Zwotental (damals Zwota) - Klingenthal und Zwönitz - Stollberg - Lugau war. 1873 war Baubeginn. Auf Grund des großen Gründerkraches 1874 geriet die Gesellschaft in finanzielle Engpässe, weshalb der Bau der Strecke Zwönitz - Stollberg - Lugau fallen gelassen wurde. Foto: J. Walther
 
Die Eröffnung der Strecke Chemnitz - Aue - Adorf fiel in das Jahr 1875. Am 7. September ging der erste Abschnitt von Aue über Wilzschhaus nach Tannenbergsthal in Betrieb. Am 15. November folgten die restlichen Abschnitte Chemnitz - Aue und Tannenbergsthal - Adorf. Ab Heiligabend fuhren die Züge auch auf der Zweiglinie von Zwotental nach Klingenthal. Lange betrieb die CAAE die Strecken jedoch nicht in Eigenregie, da die finanziellen Einbußen durch den Gründerkrach zu große Löcher in die Kassen der Gesellschaft gerissen hatten. Am 15. Juli 1876 kam es zur Übernahme der Bahnstrecken durch die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen. Diese gab der Verbindung Chemnitz - Aue - Adorf die amtliche Abkürzung CA, wobei sich diese Buchstaben aus den Initialen der Endbahnhöfe Chemnitz und Adorf ergaben.
 
Die Zweiglinie Zwotental - Klingenthal erhielt das Kürzel ZK. Im folgenden soll die Geschichte der ZK-Linie nicht näher beleuchtet werden, da sie spätestens mit der Eröffnung der Verbindung Falkenstein - Muldenberg 1892 betrieblich der Relation Herlasgrün - Falkenstein - Klingenthal zuzuordnen ist. Die CA-Linie hatte eine Länge von 114,6 Kilometern. Allein diese Zahl verdeutlicht eindrucksvoll, dass diese Eisenbahn bei weitem nicht nur lokalen Interessen diente. Foto: G. Meyer
 
Eine ganze Reihe weiterer Eisenbahnstrecken zweigte in den folgenden Jahren von der CA-Linie ab. Das Umsteigen von Zügen der CA-Linie zu denen anderer Strecken war auf 11 Bahnhöfen in insgesamt 18 Richtungen möglich. Unter anderem bestand ab 1905 die bekannte Steilrampe von Eibenstock unt.Bf. nach Eibenstock ob.Bf., auf der über den gesamten Betriebszeitraum die Züge bergwärts wegen der enormen Steigung geschoben werden mussten. In Schönheide Süd war der Übergang zur Schmalspurbahn nach Wilkau-Haßlau und Carlsfeld möglich.
 
Der Streckenteil Chemnitz - Aue war stets der stärker frequentierte. Zwischen Aue und Adorf war das Verkehrsaufkommen niemals so hoch wie hier. Die Abschnitte von Chemnitz nach Einsiedel und von Siebenbrunn nach Adorf wurden ab 1907 bzw. 1909 zweigleisig betrieben. Der Verkehr wuchs stets an und es waren eine Reihe von Erweiterungsbauten nötig. Die Bahnhöfe Chemnitz Süd und Adorf wurden vor dem ersten Weltkrieg komplett umgestaltet. Der neue Oberbau der Reichsbahn-Einheitsbauart Form K mit Schienenprofil S 49 kam auf unserer Strecke erstmals 1935 zum Einbau. Diese Oberbauform ist mittlerweile als historisch anzusehen und soll mit dem Erhalt und der Reaktivierung des Streckenteils Muldenberg - Schönheide Ost der Nachwelt erhalten werden. Foto: G. Meyer
 
Zum Ende des zweiten Weltkrieges hatte unsere Eisenbahnlinie im Chemnitzer Raum starke Zerstörungen hinzunehmen. Die zweiten Gleise fielen 1946 der Reparation zum Opfer. Bis 1954 waren aber alle zerstörten Empfangs- und Dienstgebäude wieder aufgebaut bzw. durch Neubauten ersetzt. Von 1948 bis 1955 diente auch die Strecke Chemnitz - Aue - Adorf vorrangig dem Wismutverkehr, welcher an die Eisenbahn bis dahin nicht gekannte Anforderungen stellte. Im Sommerfahrplan 1960 gab es mit dem D 217 und dem E 216 sogar Schnell- und Eilzugverkehr.
 
Zwar war die Eisenbahn in den 1960er Jahren noch ein hoch ausgelastetes und unverzichtbares Verkehrsmittel. 1967 begann auch auf unserer Strecke der Einsatz von Diesellokomotiven der Baureihen 110 und 118. Dennoch begann der Stern der CA-Linie zu dieser Zeit zu sinken. Per 1. März 1967 wurde die komplette Strecke von einer Haupt- in eine Nebenbahn umgewandelt. 1969 fiel der Beschluss der Stilllegung des Streckenabschnittes Wolfsgrün - Schönheide Ost, um Baufreiheit für die Trinkwassertalsperre Eibenstock zu schaffen. Das Projekt der Talsperre gab es bereits lange vor der zweiten Weltkrieg. Hätte man es bereits so zeitig ausgeführt, wäre es mit Sicherheit zum Bau einer Neubautrasse der CA-Linie im Eibenstocker Raum gekommen. Andernorts nahm man diesen Aufwand sogar bei weitaus weniger bedeutsamen Schmalspurbahnen in Kauf. So verlegte man die Schmalspurstrecke Freital-Hainsberg - Kurort Kipsdorf 1912 beim Bau der Talsperre Malter auf einer Länge von mehreren Kilometern. Auch für die CA-Linie gab es Projekte einer Talsperrenumgehung. Doch maß man Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts der Strecke Aue - Adorf schon nicht mehr die Bedeutung bei, um diesen Aufwand zu rechtfertigen. Der Durchgangsverkehr ließ sich auch über die Hauptbahn Chemnitz - Zwickau - Plauen - Adorf - Bad Brambach abwickeln und der örtliche Verkehr konnte auf den verbliebenen Streckenästen weitergeführt werden.
 
Komplett über die Straße war somit nur die Stadt Eibenstock zu versorgen, was aber zu Beginn der 1970er Jahre auch kein technologisches Problem mehr darstellte. Ungelöst war hingegen die Trinkwasserversorgung der Städte Zwickau und Chemnitz. Hier war insbesondere in langen Trockenperioden oftmals nicht genug Trinkwasser verfügbar. Foto: S. Brückner
 
Somit war der 27. September 1975 der letzte Betriebstag der Gesamtstrecke. P 15 697 Adorf - Aue - Chemnitz passierte als letzter planmäßiger Personenzug den heute gefluteten Streckenabschnitt. Im Interesse der breiten Öffentlichkeit dürfte dieses Ereignis nicht gestanden haben, denn am selben Tag hatte auch die Schmalspurbahn zwischen Rothenkirchen und Schönheide Süd ausgedient. Die Mehrzahl der Eisenbahnfreunde konzentrierte sich an jenem Tag auf dieses Ereignis. Im folgenden wurden die Gleise der Eibenstocker Steilstrecke und der CA-Linie zwischen Wolfsgrün und Schönheide Ost abgebaut. Dies geschah mit einem atemberaubenden Tempo. Bereits Ende Oktober 1975 lag im unteren Bahnhof von Eibenstock kein Meter Gleis mehr. Für den Bahnhof Schönheide Ost brachte die Streckentrennung einige Umbaumaßnahmen. Schon kurz vor der Teilung baute man alle Nebengleise ab.
 
Im Zusammenhang mit dem Talsperrenbau wurde die Zwickauer Mulde auf der anderen Seite des Bahnhofes als bisher um diesen herumgeführt. Dadurch entfiel an der Bahnhofsausfahrt in Richtung Schönheide Süd ein Brückenbauwerk. Dort, wo einst der Güterschuppen stand, fließt jetzt die Mulde. Am Bahnhofskopf Richtung Aue wurde der Bahnübergang eingespart. Das Empfangsgebäude und andere Bauten blieben erhalten. Der umgebaute Bahnhof besitzt seit 1975 noch drei Gleise. Foto: G. Meyer
 
Die Länge der Strecke Chemnitz - Aue - Adorf hatte sich dadurch zwar nur um 7,0 Kilometer verringert. Die Unterbrechung der Strecke raubte dieser im Abschnitt Aue - Muldenberg aber ihre überregionale Bedeutung. Die Streckenäste Aue - Blauenthal - Wolfsgrün und Muldenberg - Schönheide Ost dienten fortan nur noch lokalen Interessen. Zwar verzeichnete man anfangs bis Wolfsgrün noch einen enormen Güterverkehr, doch diente dieser dem Antransport von Baustoffen für die Talsperre Eibenstock. Dieses „Geschäft“ war natürlich zeitlich begrenzt. Der Streckenabschnitt Adorf - Muldenberg war fortan vorrangig in die Relation Adorf - / Klingenthal - Zwickau eingebunden. Zwischen Chemnitz und Aue änderte sich durch die Streckenteilung nichts. Der Personenverkehr brach im unteren Streckenabschnitt durch die Trennung schon zu DDR-Zeiten ein.
 
Zwischen Blauenthal und Wolfsgrün gab es seit 28.09.1975 nur noch Güterverkehr. Zwischen Aue und Blauenthal verringerte sich die Anzahl der Personenzüge ab 1976 kontinuierlich. Für den Reiseverkehr Muldenberg - Schönheide Ost kam der Schlussstrich Anfang der 1980er Jahre. Zwischen Schönheide Süd und Schönheide Ost fuhr der letzte planmäßige Personenzug schon am 30. September 1978 und zwischen Muldenberg und Schönheide Süd kam das Aus am 22. Mai 1982. Der Güterverkehr hatte hier bis 1990 jedoch stets eine gute Auslastung vorzuweisen. Foto: H. Drosdeck
 
Mit der politischen Wende in der DDR 1989/90 änderte sich die Lage grundlegend. Der Güterverkehr ging immer mehr gegen Null. Ein Versuch der Rbd Dresden zur Einstellung des Reiseverkehrs zwischen Aue und Blauenthal zum 7. Dezember 1990 scheiterte an Formfehlern des Stillegungsverfahrens. Nachdem ab 2. Juni 1991 wieder Reisezüge bis Blauenthal verkehrten, wehrte diese Renaissance nur kurz.
 
Am 22. September 1995 verließ der endgültig letzte Reisezug Blauenthal. Den Güterverkehr hatte der Abschnitt Aue - Blauenthal - Wolfsgrün schon zum 31. Dezember 1994 verloren. Inzwischen ist dieser Teil der CA-Linie völlig von Wildwuchs zugewuchert und entwidmet. Dadurch ist nach geltendem Recht eine Reaktivierung dieses Streckenabschnittes für immer unmöglich geworden. Foto: H. Drosdeck
 
Zwischen Muldenberg und Schönheide Ost endete der planmäßige Güterverkehr auch am 31.12.1994, jedoch gab es hier noch bis Anfang 1996 den Einsatz von Sondergüterzügen für Materialtransporte der Museumsbahn Schönheide. Bereits seit den 1980er Jahren war Schönheide Süd ein beliebtes Ziel für Sonderfahrten.
 
Die Einsätze von 50 849 zu Ostern 1994 und 86 001 am 7. Oktober 1995 vor dem Zwickauer Traditionszug waren die letzten Dampflokeinsätze zwischen Muldenberg und Schönheide Süd. Sie haben nachhaltig bewiesen, welche Nachfrage nach Nostalgiefahrten auf diesem landschaftlich ungemein reizvollen Streckenabschnitt besteht. Beide Fahrten waren restlos ausgebucht. Foto: H. Drosdeck
 
Die verbliebenen Streckenteile der ehemaligen CA-Linie haben seither recht unterschiedliche Schicksale genommen. Seitdem im März 1997 die Bedienung des Bahnhofs Thalheim endete, ist die gesamte ehemalige Strecke Chemnitz - Aue - Adorf ohne Güterverkehr. Der Streckenteil Chemnitz - Aue wird nach wie vor von DB Regio mit Triebwagen im Schienenpersonennahverkehr bedient. Auf wenigen Kilometern wurde die Strecke saniert, dort werden heute bis zu 80 km/h Höchstgeschwindigkeit gefahren.
 
Wenige Kilometer weiter vertragen die Gleise gerade noch 10 km/h und die Bahnanlagen präsentieren sich in einem miserablen Zustand, welcher keinem Fahrgast mehr zugemutet werden kann. Der Verkehrsverbund Mittelsachsen versichert jedoch den Erhalt der Strecke für den regulären Eisenbahnbetrieb. Foto: H. Drosdeck
 
Innovationen waren bei der Modernisierung dieser Strecke kein Fremdwort. Beispielsweise zeigt die Station Schöneck Ferienpark, welche Aufenthaltsqualität auch ein Haltepunkt im ländlichen Nahverkehr bieten kann.
Der Abschnitt Muldenberg - Adorf wird heute von Regio Sprintern der Vogtlandbahn befahren und ist durchgehend für 60 bis 70 km/h ausgebaut. Hier wird gezeigt, wie gut moderner Nahverkehr auf der Schiene funktionieren kann.
Foto: V. Jacobi
 
Zwischen Muldenberg und Schönheide Ost bemüht sich der Förderverein Historische Westsächsische Eisenbahnen um die Reaktivierung der einmaligen Bahnanlagen.
Ein museumsgerechter Erhalt selbiger und Betrieb als öffentliche Eisenbahninfrastruktur ermöglichte die sinnvolle Nutzung der Strecke Muldenberg - Schönheide Ost für den Wintersport- und Nostalgieverkehr.
Foto: H. Drosdeck

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