Förderverein Historische Westsächsische Eisenbahnen e.V.

Artikel aus der September-Ausgabe des Modelleisenbahners aus dem Jahr 2000

Zeitdruck

Im sächsischen Erzgebirge möchten ein paar Eisenbahnfreunde einen halb verfallenen Lokschuppen vor dem Abriss bewahren. Doch dieses ehrgeizige Projekt soll erst der Anfang sein.

Mit der 6,7 Kilometer langen Strecke von Wilkau-Haßlau nach Kirchberg eröffneten die Königl. Sächs. Staatseisenbahnen am 17. Oktober 1881 ihre erste 750-Millimeter-Schmalspurbahn. In Etappen baute man die Bahnlinie in den folgenden 16 Jahren weiter bis Carlsfeld. Mit rund 42 Kilometern war sie Sachsens längste Bimmelbahn. 85 Jahre später legte sie die DR in Abschnitten wieder still und baute die Gleise ab: Zuerst endete am 21. Mai 1966 der Personenverkehr Schönheide Süd - Carlsfeld; am 30. April 1977 rollze der letzte Güterzug zwischen Stützengrün und Schönheide Süd. Nach der Wende baute die Museumsbahn Schönheide/Carlsfeld das Stück Schönheide Mitte - Stützengrün Hp. wieder auf.

Foto: Klaus Kieper

Bei Schönheide Süd quert ein Zug im Mai 1976 die Zwickauer Mulde.
Foto: Klaus Kieper

Zeichnung: MEB-Archiv

Sachsens älteste und längste Bimmelbahn: Wilkau-Haßlau - Carlsfeld
Grafik: Freie Presse Ariane Bühner

Foto: Kurt A. Körber

Fehlen nur die Gleise: Anfang Juli 2000 war die ehemalige Strecke zwischen Wilzschmühle und Blechhammer noch gut zu erkennen.
Foto: Kurt A. Körber

Foto: Hartmut Lange

Da bleibt noch viel zu tun: Die vergangenen 33 Jahre gingen nicht spurlos an dem Carlsfelder Lokschuppen vorüber.
Foto: Hartmut Lange

Foto: Günter Meyer

Sächsisches Schmalspur-Idyll vor dem Heizhaus: Am 27. April 1966 kümmert sich die Mannschaft in Carlsfeld um 99 592.
Foto: Günter Meyer

Foto: Kurt A. Körber

Auch wenn im Inneren des Schuppens viel Gerümpel herumliegt, lässt sich der eigentliche Verwendungszweck noch erkennen.
Foto: Kurt A. Körber
. Glas ist schon lange nicht mehr in den Fensterrahmen, die Torflügel fehlen ganz. Schutzlos ist das Innere des Gebäudes Wind und Wetter preisgegeben, es macht einen verwahrlosten Eindruck. Der Lokschuppen in Carlsfeld scheint nur noch auf den Abrissbagger zu warten.

Doch das ehemalige Heizhaus, wie es zu königlich-sächsischen Zeiten einmal hieß, wartet nicht auf die Männer mit den Spitzhacken, sondern auf eine bessere Zukunft. Einige Eisenbahnfreunde möchten das Bauwerk erhalten, denn es ist der letzte seiner Art. Genauer: Es ist der letzte eingleisige, einständige Lokschuppen der Schmalspurbahnen Sachsens.

Davon gab es in Sachsen einmal eine ganze Menge. Ob in Neichen, Nossen, Hetzdorf oder Grünstädtel - an insgesamt 17 Stationen ihres großen Schmalspurnetzes hatten die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen kleine Heizhäuser errichtet, die für genau eine Lok Platz boten. Ein solcher Schuppen entstand auch 1896/1897 in Carlsfeld, als man die 750-Millimeter-Strecke aus Richtung Wilkau-Haßlau bis nach Carlsfeld verlängerte (siehe nebenstehenden Kasten). Fast genau 70 Jahre beheimatete das Carlsfelder Heizhaus eine Lok: In den ersten drei Jahrzehnten meist eine Maschine der sächsischen Gattung I K, später dann eine IV K.

Letztere war hier bis zum 15. Juli 1967 zu Hause. An diesem Tag verkehrte zwischen Carlsfeld und Schonheide Süd der letzte Güterzug. Danach baute die Deutsche Reichsbahn die Gleisanlagen ab und der Schuppen bekam eine neue Funktion. Statt einer Dampflok beherbergte er jetzt einen Lastwagen und diente der Gemeinde zusätzlich als Lagerhalle. Dieses Schicksal teilte der Carlsfelder Schuppen mit anderen sächsischen Schmalspur-Heizhäusern. Nach einigen Jahren waren letztere überflüssig oder baufällig und wurden abgerissen. Anders in Carlsfeld: Auch hier stand der Bagger schon zweimal bereit, doch jedes Mal verhinderten engagierte Eisenbahnfreunde, die sich als „Förderverein historische westsächsische Eisenbahnen“ formierten, die Zerstörung des Gebäudes. Zuletzt stoppten sie die Abrissbirne 1998. Gleichzeitig gewannen die Schmalspurfans einige Vertreter der Stadt Eibenstock, der das Bauwerk gehört, für die Idee, den Schuppen zu erhalten.

Aber die Zeit drängt. In den vergangenen Jahren hat die Bausubstanz des Gebäudes stark gelitten, jetzt hilft nur noch eine vollständige Sanierung - und die ist teuer. Zwar hat der Verein Fördermittel bei der Stadt Eibenstock beantragt, doch muss er seIber einen Anteil von 20000 Mark aufbringen.

Geht es nach den Wünschen des Fördervereins, dann bleibt es nicht allein beim Erhalt des Heizhauses. Vielmehr soll es in einigen Jahren wieder eine Dampflok beheimaten. Denn die Freunde der Eisenbahnen Westsachsens wollen das Schmalspurgleis zwischen Carlsfeld und Schonheide Süd wieder aufbauen. Das ist problemlos möglich, denn das Planum dieses Streckenstücks ist noch immer vorhanden. Für die IV K bedeutete dieser Abschnitt immer Schwerstarbeit, denn er wies Steigungen von bis zu 50 Promille auf.

Doch bevor die Bimmelbahn wieder entsteht, möchten die Vereinsmitglieder noch ein weiteres Projekt verwirklichen: Sie wollen den Verkehr auf der Regelspurstrecke von Muldenberg nach Schönheide reaktivieren. Dieses Vorhaben bildet für die Eisenbahnfreunde die Grundlage für den Wiederaufbau der Schmalspurstrecke, denn die zukünftigen Fahrgäste der Bimmelbahn sollen auf der Schiene anreisen.

Was wie eine Utopie anmutet, ist wenige Kilometer von Carlsfeld entfernt bereits Realität geworden: In den 90er-Jahren baute die Museumsbahn Schönheide/Carlsfeld den Abschnitt Schönheide Mitte Stützengrün Hp. wieder auf. Und wer weiß, vielleicht lassen sich beide Strecken wiedermiteinander verbinden - wenn der Verein für die historischen westsächsischen Eisenbahnen Erfolg hat.

Hartmut Lange

FHWE-Presseartikel

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